Veränderung comes from the outside (PART V)

„Ich kann mich nicht trennen“ – Bedeutungen persönlicher Besitztümer

14.März 2012 / von Carmen Keckeis

Wer kennt das nicht – beim Aufräumen oder Ausmisten des Schreibtischs, Kleiderschranks, Werkzeug-, Schuh-, Bücherregals, Kellers, Abstell-, Hobbyraumes, der Kommode,… finden sich immer wieder Dinge, die man jahrelang nicht mehr gebraucht, getragen, verwendet, gelesen oder nicht mal angesehen hat.

 

Manche der Objekte bewirken unvermittelt ein Lächeln, weil sie einen an etwas erinnern. „Vielleicht kann ich es ja irgendwann noch mal brauchen“ oder Ähnliches redet man sich dann, wider allem besseren Wissen und Gewissen, ein und stellt es wieder ins Regal, in den Schrank,…

 

Warum fällt es Vielen von uns so schwer, sich von Dingen zu trennen, auch wenn dieses Unvermögen zu einem beträchtlichen Platzmangel führen kann? Liegt es an der Erziehung die man genossen hat, einem bestimmten Charakterzug, der persönlichen Einstellung zu verschwenderischem Verhalten oder etwa an einer spezifischen Planetenkonstellation bei der Geburt…? Warum kann man sich nicht trennen? Um eine Antwort darauf zu finden, ist es notwendig, sich nicht auf die Lebenseinstellung oder Charaktereigenschaften von Menschen zu versteifen, sondern das Augenmerk auf die Gegenstände zu lenken, von denen man sich nicht trennen kann.

 

Im Rahmen meiner Diplomarbeit zum Thema Selfstorage führte ich Gespräche mit aktuellen und ehemaligen Kunden von ‘MyPlace‘, die ich unter anderem fragte, warum sie Gegenstände in Lagerräumen kostenpflichtig einlagern anstatt sie zu verkaufen, verschenken oder wegzuwerfen. Viele antworteten, dass sie sich nicht trennen „können“, beispielsweise von Gegenständen, die noch funktionstüchtig sind, immer wieder gebraucht werden, einen materiellen Wert haben oder Geschenke waren (das verkauft man doch nicht einfach weiter oder wirft es weg). Insbesondere können sich die Meisten aber nicht von Dingen trennen, die einen sentimentalen Wert für sie haben. Für außenstehende Personen ist dieser Wert meist nicht sichtbar und sie können unter Umständen die Intention nicht verstehen, warum man diese Dinge behalten möchte. „Diese Kommode ist doch schrecklich altbacken“, denkt man sich beispielsweise, da man dem Objekt nicht ansehen kann, dass der Besitzer dadurch an seinen Großvater erinnert wird, der ihm beigebracht hat zu zimmern und mit Holz zu arbeiten – eine Leidenschaft, der der Besitzer dieser Kommode heute, wenn er Zeit dafür findet, immer noch nachgeht. Man kann sich deswegen so schwer von solchen Dingen trennen, weil sie einen besonderen Platz in den Herzen ihrer Besitzer haben. Das mag kitschig klingen, aber eben diese Gegenstände symbolisieren einen Teil ihrer eigenen Geschichte, ihrer Herkunft und Persönlichkeit. Sie machen einen aus, sind Teil von einem Selbst als Heimwerker, Musiker, Freizeitsportler, Hobbyeisenbahner,… Oder sie erinnern einen an die eigene Kindheit, die (Groß-) Eltern, die eigenen Nachkommen, schöne Ereignisse, Erfahrungen, vergangene Urlaube oder Ausflüge.

 

Warum sind gerade Objekte, die als Teil von einem Selbst und der eigenen Geschichte gesehen werden, für Viele so bedeutsam? Laut Karin Knorr-Cetina liegt das daran, dass durch gesellschaftliche Veränderungen der letzten Jahrzehnte viele traditionelle Bindungen und Rückhalte verloren gegangen sind. Diese Verluste werden sodann von Vielen kompensiert „durch die Expansion von Objekt- zentrierten Umwelten, die das Selbst situieren und stabilisieren, die individuelle Identität ebenso definieren, wie menschliche Gemeinschaften dies getan haben, und die Sozialitätsformen (Formen der Bindung des Selbst an ein „Anderes“) fördern, die an Stelle der menschlichen Formen von Sozialität treten“.1

 

Welche Auswirkungen ergeben sich daraus für die Zukunft? Wie wird sich diese von Knorr-Cetina festgestellte „Objekt-orientierte Sozietät“ weiter entwickeln? Wird die Anzahl der individuellen Besitztümer weiter ansteigen, durch die wir uns unserer Geschichte, Identität und Persönlichkeit bewusst werden und von denen wir uns nicht trennen ‘können‘? Entwickeln wir uns zu einer ‘Hamster-‘ und/oder ‘Sammlergesellschaft‘, die nicht fähig ist, sich von Dingen zu trennen? Welche Auswirkungen wird dies auf den Platzbedarf und das Platzgreifen haben? Welche Problematiken entstehen dadurch und wie können wir sie lösen? Oder tendieren wir in Zukunft zu anderen Sozialitätsformen, was die Bindung an Objekte erübrigt? Werden die Menschen ihre Besitztümer immer mehr als Ballast empfinden, der sie sich entledigen wollen um unbeschränkt mobil sein zu können?

 
 
 

1 Knorr-Cetina Karin (1998): Sozialität mit Objekten. Soziale Beziehungen in post-traditionalen Wissensgesellschaften. Erschienen in: Rammert Werner (Hg.) (1998): Technik und Sozialtheorie. Theorie und Gesellschaft; Band 42. Campus Verlag. New York. S.83

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert