
Wo das Herz im Charleston-Rhythmus schlägt
Sie waren jung, schön, hemmungslos und sie kannten keine Grenzen. Die Bright Young Things – eine Generation aristokratischer Bohemiens, die in den 1920ern Londons High Society aufmischte. Ihre Nächte waren lang, ihre Partys legendär, ihre Eskapaden füllten die Klatschspalten. Sie rasten mit offenen Automobilen durch die Straßen, trugen Perlen und Federn, veranstalteten Kostümbälle und skandalöse Schnitzeljagden quer durch die Stadt. Ein Leben wie ein Feuerwerk, glitzernd und vergänglich.
Doch hinter der funkelnden Fassade lauerte das Drama. Zwischen Champagner und Jazz lag die Angst vor dem Morgen, vor einer Welt im Wandel. Nach dem Ersten Weltkrieg war nichts mehr sicher, also feierte man umso wilder. Evelyn Waugh fing ihre Exzesse in Vile Bodies ein, Nancy Mitford karikierte sie in ihren Romanen, Stephen Fry brachte sie in Bright Young Things auf die Leinwand. Ihre Ästhetik inspiriert bis heute – von Modekampagnen bis zu Serien wie Downton Abbey.
Der Ursprung des Namens
Der Name „Bright Young Things“ wurde von der britischen Presse der 1920er Jahre geprägt. Ursprünglich war es eine scherzhafte Bezeichnung für eine lose Gruppe junger Aristokraten, Künstler und Bohemiens, die durch ihren extravaganten Lebensstil, exzessive Partys und eine provokative Missachtung gesellschaftlicher Konventionen auffielen. Die Bezeichnung „bright“ (engl. für „hell“, „strahlend“, aber auch „intelligent“) spielte mit dem Glanz und der Energie dieser Jugend, während „young things“ ihre Flüchtigkeit und ihr spielerisches Wesen betonte.

Ein Leben zwischen Glamour und Vergänglichkeit
Die Bright Young Things waren keine feste Gruppe mit Mitgliedschaft, sondern eher eine lose Bewegung von Gleichgesinnten, die das London der 1920er unsicher machten. Sie schufen ihre eigene Welt – eine Welt aus Champagner, wilden Kostümfesten, skandalösen Schnitzeljagden durch die Stadt und übertriebenen Auftritten in den Klatschspalten der Zeitungen. Sie liebten es, inszenierte Fotoshootings mit absurden Themen zu machen, sich verkleidet in der Öffentlichkeit zu zeigen oder mit bewusst inszenierter Dekadenz aufzufallen.
Hinter dem Glitzer und der Leichtigkeit lag jedoch eine tiefere Schicht: Die Generation, die den Ersten Weltkrieg überlebt hatte, war sich der Zerbrechlichkeit der Welt bewusst. „Live fast, die young“ – wenn auch nicht in diesen Worten – könnte ihr unbewusstes Motto gewesen sein. Ihre Exzesse waren nicht nur eine Feier des Lebens, sondern auch eine Flucht vor der Realität einer Welt, die sich rapide veränderte.

Gesichter der Bewegung
Auch in der modernen Popkultur finden sich Anklänge an die Bright Young Things. In Gilmore Girls gehört Rory Gilmore einer exklusiven und geheimnisvollen Gruppe namens Life and Death Brigade an – eine elitäre, traditionsreiche Verbindung, die waghalsige, dekadente Abenteuer organisiert. Mit ihrem Motto „In Omnia Paratus“ („Bereit für alles“) verkörpern sie eine ähnliche Lebenslust, Extravaganz und Verachtung für gesellschaftliche Konventionen wie die Bright Young Things. Ihre spektakulären Inszenierungen, geheime Feiern und ihr Hang zur Ästhetik spiegeln das exzentrische und rebellische Wesen der Londoner Bohemiens wider. Ob Rorys Welt tatsächlich von den Bright Young Things inspiriert wurde, bleibt offen – doch die Parallelen zwischen den beiden Gruppen sind unverkennbar.
Bright Young Things hatten ihre Chronisten und Bewunderer. Einer der bekanntesten war Cecil Beaton, der ihre Welt durch seine Linse für die Ewigkeit festhielt. Seine Fotografien fangen nicht nur die Eleganz, sondern auch die surreale Verspieltheit dieser Generation ein. Ebenso prägte Noël Coward die Ära – als Dramatiker, Musiker und scharfzüngiger Beobachter der dekadenten Londoner Elite. Seine Stücke und Lieder waren durchtränkt von Witz, Ironie und der schillernden Oberflächlichkeit jener, die im Rausch des Vergnügens ihre Sorgen vergessen wollten.
Literarische und kulturelle Spuren der BRIGHT YOUNG THINGS
Die Lost Generation und die Expatriates in Paris
Während die Bright Young Things in London ihre Partys feierten, suchte eine andere Gruppe junger Künstler und Intellektueller Zuflucht in Paris: die Lost Generation. Darunter Schriftsteller wie Ernest Hemingway, Gertrude Stein, F. Scott Fitzgerald und Ezra Pound, die sich von den Schrecken des Ersten Weltkriegs entfremdet fühlten und in der französischen Hauptstadt eine neue künstlerische Heimat fanden. In den Cafés von Montparnasse und an den Ufern der Seine entstand eine lebendige Expatriate-Kultur, die geprägt war von Diskussionen über Literatur, Kunst und die Sinnsuche in einer sich verändernden Welt.
Obwohl sie in unterschiedlichen Städten lebten, spiegelten sowohl die Lost Generation als auch die Bright Young Things ein Gefühl der Orientierungslosigkeit und der Rebellion gegen traditionelle Werte wider. Während die Bright Young Things in einer flirrenden Mischung aus Dekadenz und Leichtsinn aufgingen, suchten die Expatriates in Paris nach neuen Ausdrucksformen und einer tieferen Bedeutung des Daseins. Doch beiden Gruppen war gemein, dass sie sich ihrer Zeit entwurzelt fühlten und in der Vergänglichkeit des Moments ein Stück Wahrheit suchten. Auch F. Scott Fitzgerald, der selbst Teil der Pariser Expatriate-Szene war, beobachtete mit seinen Romanen nicht nur die verlorene Generation in Paris, sondern auch den Exzess und die Melancholie der Reichen und Schönen – genau jene Welt, in der auch die Bright Young Things lebten.
Diese Bewegung inspirierte zahlreiche Schriftsteller und Künstler. Einer der wichtigsten Chronisten dieser Ära war Evelyn Waugh, dessen Roman Vile Bodies (1930) ein scharfes, satirisches Porträt der Bright Young Things zeichnet. Der Film Bright Young Things von Stephen Fry basiert auf diesem Roman und bringt ihre Welt auf die Leinwand. Auch Nancy Mitford schrieb mit spitzer Feder über ihre Zeitgenossen, und F. Scott Fitzgeralds „The Great Gatsby“ zeigt eine ähnliche dekadente Generation in den USA.
Bis heute wird die Faszination für diese Epoche musikalisch weitergetragen – etwa durch die Band The Divine Comedy, die mit ihrem Song Bernice Bobs Her Hair eine moderne Interpretation eines Themas aus dieser Ära liefert. Der Song basiert auf einer Kurzgeschichte von F. Scott Fitzgerald, in der es um gesellschaftliche Zwänge, Emanzipation und den Mut zur Veränderung geht – Themen, die auch die Bright Young Things beschäftigten.
Auch A Marvellous Party von The Divine Comedy greift das extravagante Lebensgefühl der 1920er auf. Das Lied zitiert die dekadente Fröhlichkeit und exzentrische Haltung dieser Gesellschaftsschicht, indem es mit Ironie und verspielter Eleganz das Gefühl einer rauschenden Nacht einfängt, die irgendwo zwischen Vergnügen und Überdruss taumelt. Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart zeigt, dass das Streben nach Freiheit und Identität über Zeit und Generationen hinweg Bestand hat.
Wiederkehrende Muster?
Hundert Jahre sind vergangen, und doch scheint sich manches zu wiederholen. Eine Welt in Krisen, eine Generation, die in Unsicherheit aufwächst, in Kunst, Eskapismus und übersteigerte Selbstinszenierung flieht. Heute flackert der Glanz nicht mehr nur in Charleston-Sälen, sondern in Instagram-Feeds, auf TikTok, in digitalen Partyräumen. Die Fragen bleiben dieselben: Wie lebt man mit der Angst vor dem Morgen? Wohin mit all der Sehnsucht nach Bedeutung in einem Chaos aus Krisen und Veränderung? Die Bright Young Things waren ein Spiegel ihrer Zeit – und vielleicht auch ein Schatten unserer eigenen.
Das Echo der Vergangenheit
Die Ästhetik der Bright Young Things lebt bis heute fort – in Mode, Filmen, Serien wie Downton Abbey und in der anhaltenden Faszination für die wilden 1920er. Sie waren eine Bewegung zwischen Kunst und Eskapismus, zwischen jugendlicher Unbekümmertheit und tiefem Weltschmerz. Ihr Geist hallt nach, in goldenen Lichtern, im Echo eines Charleston-Rhythmus, in der Sehnsucht nach einer Welt, die glitzert, auch wenn sie bröckelt.
Vielleicht war es genau das: der verzweifelte Tanz auf dem Vulkan, der Versuch, sich selbst in goldene Erinnerungen zu kleiden, während die Zeit unaufhaltsam weiterlief. Und doch – wenn irgendwo ein Saxophon erklingt, wenn ein Glas zum Toast auf das Leben gehoben wird, wenn sich das Herz für einen Moment schwerelos fühlt, dann hallt ihr Geist nach. Ein Funkeln in der Dunkelheit, ein leiser Widerschein vergangener Nächte, ein Schatten aus Seide und Lachen, der noch immer durch die Straßen huscht.

Ein Blick in unsere Gegenwart
Die Bright Young Things existieren nicht mehr, aber ihre Philosophie spiegelt sich in modernen Bewegungen wider. Die Faszination für Exzesse, die Sehnsucht nach Vergänglichkeit, der Wunsch, sich von gesellschaftlichen Zwängen zu befreien – all das sind Elemente, die sich auch heute finden lassen. Ob in der Welt der Influencer, in digitalen Subkulturen oder in urbanen Künstlerkreisen – der Drang nach Ausdruck, nach Rebellion gegen den Ernst der Welt, bleibt bestehen.
Und doch: Was bleibt, wenn der letzte Drink ausgetrunken, das letzte Foto geschossen und der letzte Song verklungen ist? Vielleicht ist die Botschaft der Bright Young Things nicht nur eine Feier des Exzesses, sondern auch eine Erinnerung daran, die Magie der kleinen Momente zu bewahren. Es geht nicht nur um das Spektakel, sondern um die Liebe zur Ästhetik, zur Kunst, zur vergänglichen Schönheit, die in jeder Generation neu entdeckt werden muss.
Quellenverzeichnis
- Waugh, Evelyn. Vile Bodies. Chapman & Hall, 1930.
- Mitford, Nancy. The Pursuit of Love. Hamish Hamilton, 1945.
- Fitzgerald, F. Scott. The Great Gatsby. Charles Scribner’s Sons, 1925.
- Fry, Stephen (Regie). Bright Young Things. BBC Films, 2003.
- Beaton, Cecil. The Glass of Fashion. Weidenfeld & Nicolson, 1954.
- Coward, Noël. The Vortex. London, 1924.
- Hemingway, Ernest. A Moveable Feast. Scribner, 1964.
- Library of Congress: Sammlung historischer Fotografien (loc.gov)
- Europeana: Digitale Archive der 1920er Jahre (europeana.eu)
- Wikimedia Commons: Historische Bilder der Bright Young Things (commons.wikimedia.org)