Die Bibliothek in meiner Brust – Von der Kunst, sich selbst nicht zu vergessen
„Ich bin aus Geschichten gemacht. Ich atme durch Worte und heile in Kapiteln.“
Es gibt einen Ort in mir, den niemand sieht. Er liegt hinter der vierten Rippe links, eingerahmt von einem seelischen Brustkorb, in dem statt Organen kleine Buchrücken ruhen. Ich habe nie gewusst, wie ich diesen Ort nennen soll – bis ich las, dass die Franzosen ihn „bibliothèque intérieure“ nennen. Eine innere Bibliothek. Was für ein schöner Gedanke. Und was für eine Verantwortung.
Denn dieser Ort ist kein einfacher Speicher für Bücher, die ich gelesen habe. Er ist vielmehr ein lebendiges Archiv aus Gefühlen, Versäumnissen, Zeilen, Liedern und Blicken, die nie ausgesprochen wurden. Jedes Regal ist eine Erinnerung. Jedes Buch eine Phase. Und manche Seiten… sind voller Tränen.
Bibliothèque intérieure
Kapitel 1: Was bleibt, wenn alles geht?
Wenn Menschen uns verlassen, bleibt oft nur ihr Abdruck. Ihre Silhouette in unserem Gedächtnis, der Tonfall in einer bestimmten Frage, das Parfum auf einem Schal…
Manche Menschen – vor allem die, die wir lieben – schreiben sich in unsere inneren Seiten ein, ohne je ein Wort zu hinterlassen.
Ich denke an meinen Großvater, der mir beigebracht hat, dass man nie mit leeren Händen kommt – weder zum Fest noch ins Leben.
Ich denke an die erste große Liebe, die mich zittern ließ, weil er bei Thomas Hardy weinte.
Ich denke an die vielen Sätze, die mir gesagt wurden, wenn ich gefallen bin – die verletzenden und die heilenden.
Alle diese Erinnerungen sind jetzt Bücher in meinem inneren Regal. Manche mit goldenen Titeln auf dem Rücken, andere eingerissen, blutbefleckt, voller Randnotizen: “Hier will ich nie wieder hin.”
Kapitel 2: Lesen ist Überleben
In meiner dunkelsten Zeit waren Bücher mehr als Trost. Sie waren Rettung. Virginia Woolf schrieb einst in ihren Tagebüchern: „I am reading six books at once…, the only way of reading; since, as you will agree, one book is only a single unaccompanied note, and to get the full chord, one must read several.“
Ich weiß heute, dass ich so überlebt habe. Nicht durch Therapien, nicht durch Gespräche – sondern durch Seiten. Durch die leisen Stimmen von Saramago, Erpenbeck, Hesse, Rilke, Plath, Murakami. Sie alle flüsterten mir zu, dass ich nicht allein bin. Dass es Worte für meine Dunkelheit gibt.
Bücher sind manchmal Spiegel, manchmal Fluchtwege.
Und oft: Waffen. Gegen das Vergessen.
Kapitel 3: Zitatgewitter im Kopf
Ich habe die Angewohnheit, Sätze zu speichern. Kein Wunder, dass meine innere Bibliothek auch eine Zitatwand hat… (Platon, Nietzsche, Hesse, Instagram @salamis.cacta)
Dort hängen Sätze wie:
- „Be kind, for everyone you meet is fighting a hard battle.“ (Platon zugeschrieben)
- „You must have chaos within you to give birth to a dancing star.“ (Nietzsche)
- „Und plötzlich weißt du: Es ist Zeit, etwas Neues zu beginnen, und dem Zauber des Anfangs zu vertrauen.“ (Hesse)
- „At no other time than September does this urge flutter in my skies to lock myself in a reading trance.“ (salamis.cacta)
Sie sind wie Talisman-Worte. Ich trage sie bei mir. Immer. Nicht auf der Haut, sondern in dieser stillen Kammer, die mir gehört. Sie erinnern mich daran, dass ich nicht der erste Mensch bin, der scheitert. Und nicht der letzte, der hofft.
Kapitel 4: Schmerz als Regalboden
Es gibt ein Regal in meiner inneren Bibliothek, das ich selten betrete. Darin liegen die schweren Bücher…Die Kapitel, die man lieber überspringen würde.
- Verlust.
- Schuld.
- Fehler, die andere nicht verzeihen wollten.
- Nächte, in denen ich mich selbst nicht liebte.
Aber ich habe gelernt, dass auch diese Bücher Teil meiner Sammlung sind. Dass sie mir Tiefe geben. Dass sie mich erinnern, wie viel ich getragen habe – und wie viel ich noch tragen kann.
“You don’t drown by falling in the water; you drown by staying there.”
Kapitel 5: Die Schönheit des Unarchivierbaren
Und dann gibt es all das, was sich nicht in Worte fassen lässt… Das Licht eines Spätsommerabends, der Duft nach Regen und Lavendel…, vermischt mit einer Ahnung von Zuhause.
Das Lächeln, das jemand trägt, wenn er dich zum ersten Mal ansieht, als würde er dich erkennen.
Diese Dinge haben keine ISBN.
Und doch sind sie das Wertvollste in meiner Sammlung.
Ich habe gelernt, dass die innere Bibliothek kein starres Archiv ist. Sie ist ein atmender, lebender, vibrierender Ort. Sie wächst mit mir. Sie vergibt mir. Und sie liebt mich still.
Kapitel 6: Kuratieren, nicht löschen
Manchmal will ich alles ausmisten. Alles löschen, was wehtut. Aber dann erinnere ich mich: Die innere Bibliothek ist kein Ort der Zensur…ie ist ein Ort des Erinnerns.
Ich darf die Bücher umstellen. Ich darf ihnen neue Titel geben. Ich darf einige mit goldener Folie überziehen – und andere in Seidenpapier wickeln. Aber ich muss nichts löschen.
Denn alles, was ich bin, ist aus diesen Seiten gemacht.
Quellen & Inspirationen
- Rainer Maria Rilke – Briefe an einen jungen Dichter
- Virginia Woolf – A Writer’s Diary
- Hermann Hesse – Das Glasperlenspiel
- Murakami – Naokos Lächeln
- Jeanette Winterson – Warum glücklich statt einfach nur normal?
- Susan Sontag – Über Fotografie
- Anne Lamott – Bird by Bird
- Instagram-Beitrag @thespiritualaspects (2025): „bibliothèque intérieure“
- Zitat und Caption von @salamis.cacta (2025)
- Virginia Woolf – A Writer’s Diary
- Hermann Hesse – Das Glasperlenspiel
- Jeanette Winterson – Warum glücklich statt einfach nur normal?
- Instagram-Post @thespiritualaspects: bibliothèque intérieure
- Zitat von @salamis.cacta (2025)
Wenn ich eines gelernt habe, dann dies:
Du bist kein Chaos.
Du bist eine Bibliothek.
Voller Kapitel, die dich formen.
Voller Worte, die dich retten.
Voller Geschichten, die noch geschrieben werden wollen.
Und vielleicht ist das Wichtigste:
Du schreibst dein Leben und deine Erinnerungen.
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